NACHRICHTEN


Biographisches Profil der ehrwürdigen Dienerin Gottes Anna Kolesárová

Anna Kolesárová wurde am 14. Juli 1928 in Vysoká nad Uhom geboren. Sie wurde in der Pfarrkirche des hl. Johannes des Täufers in Pavlovce nad Uhom getauft. Als sie zehn Jahre alt war, starb ihre Mutter. Nach ihrem Tod übernahm sie alle ihre Pflichten, die sie gewissenhaft erfüllte. Sie lebte weiterhin in einem Haushalt mit ihrem Vater und ihrem älteren Bruder. Am 14. Mai 1938 empfing sie das Sakrament der Firmung, kurz davor die heilige Kommunion. Anna ging regelmäßig zur Kirche und zu Gebeten, empfing Sakramente. Sie betete gern den heiligen Rosenkranz.

Der Zweite Weltkrieg beeinflusste das Leben dieses Mädchens erheblich. Am Mittwoch, dem 22. November 1944, passierten ihr Dorf die Truppen der Roten Armee. Während der Durchsuchung der Häuser kam ein betrunkener sowjetischer Soldat in den Keller unter der Küche, in dem sich die sechzehnjährige Anna mit ihrer Familie und anderen Leuten versteckte.

Der Vater bat die Tochter, etwas für den Soldaten zum Essen vorzubereiten, der jedoch begann das junge Mädchen zu belästigen und drängte sie, sich ihm zu ergeben. Doch sie lehnte ab, trotz den Drohungen sie zu erschießen und wählte lieber den Tod. Sie riss sich los von seinen Armen und rannte zurück in den Keller. Der zornige Soldat eilte ihr nach, richtete das Gewähr auf sie und rief, sie solle sich von ihrem Vater verabschieden. Gleich darauf verwirklichte er seine Drohung vor den Augen ihres Vaters und feuerte zwei Schüsse ab. Anna starb beim Rufen der Namen von Jesus, Maria und Joseph.

Wegen der unaufhörlichen Kämpfe im Dorf wurde sie heimlich am nächsten Tag am späten Abend und ohne Priester begraben. Die Bestattungszeremonie wurde später vom damaligen Pfarrer Anton Lukáč erst am 29. November 1944 durchgeführt. Nach dem christlichen Begräbnis schrieb er in die Totenmatrik: hostia sanctae castitatis (Hostie der heiligen Reinheit). In die Pfarrchronik in Pavlovce nad Uhom schrieb er, dass Anna durch eucharistischen Christus im Moment, wenn sie mutig und ohne zu zögern ihre Reinheit verteidigte, gestärkt wurde, weil sie kurz bevor das Sakrament der Versöhnung und die heiligen Kommunion empfing.

GESCHICHTE VON ANKA KOLESÁROVÁ

Geschichten, die von Gott geschrieben werden, haben ein glückliches Ende. Eine solche Geschichte kenne ich.
Vielleicht war es so, vielleicht ein wenig anders, doch das Opfer von Liebe und Reinheit darin ist fest und unbestreitbar wie der Stein, der heute über ihrem Grab steht.

Nach dem Eintrag in dem Standesamt Hostia Sanctae Castitatis (Opfer der heiligen Reinheit) kann man sagen, dass es Opfer eines Mädchens war, welches wusste, was richtig war. In meinem Kopf wird das Bild des Dorfes, eines solchen wie hinter meinen Fenstern, lebendig. Dort laufen vier Mädchen die Straße entlang. Ihre Zöpfe reichen ihnen fast bis zur Taille. Anka trägt einen Löwenzahn-Kranz auf ihrem Kopf, einen weiteren hält sie vorsichtig in der Hand, weil dieser für Jungfrau Maria bestimmt ist. Die himmlische Mutter kennt sie alle gut. Sie pilgern zu ihr und singen Lieder für sie, Lieder sorgloser Kinder.

Als Anka mit 10 Jahren ihre Mutter verliert, findet sie Stärke, wie anders, in Gott. Ihre immer noch Kinderhände lernen kochen, waschen, putzen. Der Haushalt unter ihrer Führung ist niemals öde. Ihre treue Freundinnen, Nachbarinnen und sogar Tanten aus ihrer Nähe helfen mit. Anka kommt mit jedem gut aus. Ihr ernstes Gesicht wird zart in schönem Lächeln, als sie ihre Freundinnen zu einem Kuchen einlädt, und dabei ein bisschen fürchtet, ob er ihr gelungen ist.

Und Zöpfe wachsen schnell weiter. Die Jahre fliegen mit Plantschen im Fluss vorbei, die Wintertage wiederum mit Gesang und Witzen auch in der Küche von Kolesárová-Familie. Anka kann schon fast alles kochen, sie ist jetzt schon eine junge Dame. Sie wird häufiger am Brunnen gesehen, wo sie Wasser holt, um Kartoffeln zu waschen und Tiere zu tränken. Sie trinkt davon ein bisschen selber. Man kann sie am Herd als auch unter den Mädchen auf dem Weg zu Jungfrau Maria nach Klokočov sehen. Wieder trägt sie einen Kranz aus einfachen Löwenzahn-Blumen. Einfache Schönheit begleitet ihr ganzes reines Leben. Der Puls des Dorflebens, einfach, aber fröhlich, wird von dem Krieg gestört.
November kommt. Wie so viele male vorher. Doch das Mädchen spürt, dass etwas vor sich geht, dass etwas anders ist. Eine Nachbarin bemerkt einmal ihre zierliche Figur im Kleid ihrer verstorbenen Mutter.
"Warum trägst du schwarz?"
"Ich habe Angst Tante, dass sie mich bemerken. Die Soldaten dürfen nicht sehen, dass ich jung bin", antwortet die 16-jährige Anka. Ihr Plan funktioniert bis jetzt. Nur mit der Länge ihres Kleides hat sie Probleme, wenn sie langsam in der Kommunion-Reihe geht.

Noch am Abend davor geht sie in die Kirche, um sich mit der Eucharistie zu stärken, vielleicht nicht einmal wissend, dass es das letzte Mal ist, und dass das nächste Mal sie Gott bereits Auge in Auge gegenüber steht.
Eine Front zieht durch das Dorf. Kugeln fliegen von jeder Seite, Granaten explodieren, Menschen verstecken sich in den Kellern. Soldaten kommen, um das Territorium zu befreien und benehmen sich wie Bestien bei dem Feind-Suchen. Sie betreten die Häuser mit den Maschinengewehren. Einer geht in das Haus von Kolesárová-Familie, alle sind im Keller. Vater, der denkt, dass der Soldat Hilfe sucht, sagt:
"Haňka, gib ihm was zu essen, er ist bestimmt hungrig!"
Und das Mädchen gehorcht. Die gute Absicht wird jedoch schnell zur Tragödie. Der Soldat findet sofort heraus, dass der dicke Stoff keine erwachsene Person umhüllt, sondern ein junges Mädchen. Wunderschön und rein. Die teuflischen Lippen flüstern die schlimmsten Worte und die Begierde wächst in dem Mann mit dem Maschinengewehr.
"Ergebe dich, sonst bist du auf der Stelle tot", schreit er und drängt.

 Das Mädchen reflektiert ihr ganzes Leben vor ihren Augen, welches mit den Spuren des liebenden Gottes durchwoben ist. Sie kehrt in die Kindheit zurück, zu den Jahren ohne ihre Mutter und den schönen Momenten auf den Pilgerfahrten, im Dorf, unter ihresgleichen. Sie weiß, dass sie geliebt ist, und hasst Sünde, deshalb trifft sie eine bewundernswerte Entscheidung. In diesem Moment schein die Zeit gestoppt zu sein. Die erschrockenen Dorfbewohner in dem Nebenversteck ahnen nichts.
Der Soldat sieht, dass das er Mädchen nicht bricht, im Zorn richtet er also das Gewehr auf sie und schreit:
"Verabschiede dich von deinem Vater!"
Der ratlose Vater, Zeuge des schrecklichsten Theaters in seinem Leben, bittet Gott um Gnade. Und die Gnade kommt ... Schwere Luft wird von den letzten Worten durchschnitten, die von dem Inneren der jungen Seele mit einem starken Sinn für höhere Ideale kommen:
„Leb wohl, Vati! Jesus, Maria, Joseph!" Plötzlich fallen Schüsse. Einer, dann der nächste... zwei genaue Schüsse beenden das heroische, irdische Leben.
Am nächsten Tag brechen die Männer die Scheune und aus diesen Platten machen sie einen kleinen Sarg. Die Frauen bereiten wiederum Ankas leblosen Körper in den Sarg. In der Nacht begraben sie die Märtyrerin der Reinheit heimlich. Ohne Priester, ohne jegliche  Zeremonie. Es geht nicht anders. Doch die Zeit kommt noch.
Heute, an der Stelle, wo Ankas Überreste ruhen, steht ein Stein mit der Aufschrift: LIEBER TOD ALS SÜNDE. Es wird von tausenden jungen Leuten gelesen, die in ihr ihr Vorbild sehen. Auch in ihnen wird die Geschichte des einfachen Mädchens lebendig, welches wie die Sonne am Himmel scheint.

Majka Ružbarská, veröffentlicht im Buch Berührung der Freude, 2009